Referatsleiterin sprach in Wolfenbüttel über Bürokratie-Abbau, und viele Besucher gaben ihr Denkanstöße mit auf den Weg.

Wolfenbüttel. Die Lust darauf, in unserem Land selbständiger Bäcker zu sein, wird einem derzeit ziemlich verleidet. Das wurde deutlich bei einer Veranstaltung, zu dem das Beraternetzwerk Existenz und Zukunft (E&Z) jetzt eingeladen hatte. Referentin Vanessa Albowitz vom Wirtschaftsministerium sprach über das Thema „Verfahrensvereinfachung in Niedersachsen – wie werden wir schneller, einfacher und günstiger?“ Die Besucher im neuen ,Wissensort Wolfenbüttel‘ (WOW) waren aufgerufen, störende Beispiele zum Thema Bürokratie vozutragen.

Doch der Gast aus Hannover bremste übertriebene Erwartungen gleich zu Beginn: Als Referatsleiterin Task Force Energiewende & Verfahrensvereinfachung, Stabstelle Transformation der Wirtschaft bringe sie zwar stets offene Ohren mit und biete ihre Hilfe an. „Doch ein tatsächlicher Abbau von Bürokratie wäre zäh und würde viel zu lange dauern.“ Sie setze auf kleinteiligere, schnellere Lösungen: „Nennen Sie mir unsinnige bürokratische Hürden, denen wir gemeinsam an den Kragen gehen können.“

Diesen Ansatz von Transparenz und Erreichbarkeit habe sich die Landesregierung seit einger Zeit vorgenommen, berichtete Vanessa Albowitz weiter und verteilte einerseits großzügig ihre Telefonnummer (0511/120-5608), verwies aber andererseits auf den „Bürokratie-Melder“ auf der Internetseite des Wirtschsaftsministeriums. „Wir wollen den direkten Draht gerade in den ländlichen Raum, wo oft ältere Menschen den Eindruck haben, kein Gehör zu finden.“

Auf diesem Wege hätten sich in den vergangenen Monaten schon einige Erfolge eingestellt, sagte die Referatsleiterin. „Wir konnten überflüssige Vorschriften im Landesrecht aufheben, eine umfassende Novellierung der niedersächsischen Bauordnung anschieben und viele Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen.“ Die Vereinfachung von Förderprozessen dürften die rund 30 vornehmlich selbständigen Gäste besonders erfreut zur Kenntnis genommen haben. Bei der Forderung eines Besuchers aber, mehr Lotsen für das Verständnis von Anträgen und Genehmigungen bereitzustellen, gab es Gegenrede aus dem Publikum: Statt immer mehr Lotsen für alle Bereiche des Behördenlebens einzustellen, sollten besser die Verfahren wieder so vereinfacht werden, dass sie auch ohne Hilfe zu bewältigen sein.

Das sah Vanessa Albowitz ähnlich. Überhaupt sei ein zentrales Handicap der Verwaltung, dass sie bei ihren Entscheidungen stets alle Eventualitäten einbeziehen wolle. „Die Zuständigen wollen immer auf Nummer sicher gehen, auch um nicht angreifbar zu sein.“ Das aber koste Zeit und verkompliziere die Verfahren. „Ich glaube, Verwaltung braucht Mut“, unterstrich sie ihre Vision. Vorschriften abzubauen werde schwierig, „einfacher wäre es, die Zuständigen würden ihren Ermessensspielraum mutig nutzen, den sie schon heute haben“.

Bei den Fragen des Publikums ging es quer durch die gesamte Wirtschaft. Der Brandschutz in Altbauten sei manchmal schwer nachzuvollziehen, sagte eine Frau und nannte ihr Behörden-Beispiel schlicht „Unsinn“. Ob ein Gewerbetreibender für seinen LKW die volle Maut bezahlen muss, obwohl er nur im Werksverkehr unterwegs ist, war ein weiterer Aufreger. Und ob der Wechsel eines Vereinsschatzmeisters wirklich das Ausfüllen eines ganzen Stapels Papier erfordern müsse, wollte E&Z-Vorsitzender Michael Schmitz wissen. Ein anderer Gast kritisierte, dass die Gründung einer Firma in Deutschland einen echten Akt darstelle – in den USA ist das ein online-Dialog von zehn Minuten“.

Die Stimmung in der Wirtschaft werde immer gereizter, meinte ein Bäcker. Und er berichtete von haarsträubenden Nachfragen der Verwaltung zu den Inhaltsstoffen seiner Ware. Auch die Feststellung von Vanessa Albowitz, ihre Abteilung habe die reibungslose Integration von ausländischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt vorangebracht, wollte er nicht so stehen lassen und lieferte ein zähes Gegenbeispiel, gespickt mit zahlreichen Briefwechseln – natürlich in Papier. Bittersüße Bilanz des Bäckermeisters in puncto Digitalisierung der Verwaltung: „Ich bin ja schon stolz auf meinen Landkreis, dass in seinem Briefkopf keine Fax-Nummer mehr steht.“

Die Referentin aus Hannover nahm alles tapfer zur Kenntnis und will vieles überprüfen. „Ob es gelingt, muss man im Einzelfall sehen – aber wir versuchen es.“ Michael Schmitz dankte ihr für den Vortrag und den Gästen für ihre aktiuve Teilnahme. Anschließend wurde bei Häppchen gefachsimpelt.

Foto: Der Vorsitzende des Beraternetzwerks Existenz&Zukunft, Michael Schmitz (links), begrüßte Vanessa Albowitz aus Hannover im gut besuchten Wissensort Wolfenbüttel (WOW). Foto: Regio-Press