„Dorf.Raum.Kultur: Begegnungsorte in ländlichen Räumen gestalten“ – so lautete der Titel der mittlerweile 5. Lucklumer Gespräche, die am 25. August 2025 auf dem Rittergut Lucklum (SG Sickte) stattgefunden haben. Rund 70 Gäste aus Verwaltung, Kommunalpolitik, Kulturlandschaft, Heimatpflege und Wissenschaft nahmen teil. Die Lucklumer Gespräche sind ein mittlerweile etabliertes Format des Landkreises Wolfenbüttel, um gemeinsam mit den Aktiven vor Ort Themen des ländlichen Raums zu erforschen und entsprechende Impulse zu setzen. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Akademie Ländlicher Raum e. V. (ALR) statt.
Was Begegnungsorte im ländlichen Raum leisten können, zeigte sich auf dem Rittergut Lucklum: Bei schönem spätsommerlichen Wetter kamen die Gäste im Innenhof zu guten Gesprächen zusammen. Der Bücherbus mit Team war vor Ort und für die gelungene Musikunterhaltung sorgte das Straßenmusiker-Duo Crepes Sucette.
Mit „DenkDeinDorf…und darüber hinaus!“ lokale Gemeinschaften stärken
Im Rittersaal begrüßten Landrätin Christiana Steinbrügge sowie Dr. Sylvia Herrmann von der ALR die Gäste. Johanna von Anshelm, Leiterin der Abteilung Kultur und Medien am Bildungszentrum Landkreis Wolfenbüttel, moderierte gekonnt durch den Abend.
„Wer Demokratie stärken will, muss Räume schaffen, in denen Menschen zusammenkommen können, um so soziale Beziehungen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Und genau daran arbeiten wir hier im Landkreis Wolfenbüttel“, so die Landrätin. Sie verwies dabei auf das Projekt „DenkDeinDorf… und darüber hinaus!“, das ins Leben gerufen wurde, um lokale Gemeinschaften zu stärken. Gefördert wird das Vorhaben über das Bundesförderprogramm Aller.Land, die Förderzusage erfolgte im Juni. „Und damit komme ich zu dem Punkt, der mir noch wichtig ist: Das sind eben diese „interessierten Menschen“, also diejenigen, die sich für die Gemeinschaft vor Ort engagieren, die über Kultur, Sport, Feuerwehr oder andere Initiativen Begegnung und Verbindung schaffen und damit das Vertrauen stärken, das wir alle brauchen, um gut miteinander leben zu können“, so Steinbrügge.
Dr. Sylvia Herrmann stellte den Gästen die Akademie Ländlicher Raum vor. Ziel sei es, die Lebensgrundlagen im ländlichen Raum zu verbessern und Strategien für die zukünftige Entwicklung auszuarbeiten. Wichtig dafür sei der Austausch und Wissenstransfer, wie er auch bei den Lucklumer Gesprächen stattfindet.
Impulsvorträge: Wie gelingen Begegnungsorte? Was sind Voraussetzungen?
Wie Begegnungsorte gelingen können, zeigten zwei Impulsvorträge. Professor Dr. Berthold Vogel vom Soziologischen Forschungsinstitut der Universität Göttingen betonte die zentrale Bedeutung der kommunalen Ebene für viele Gegenwartsfragen wie etwa Energiewende, Bildung, Mobilität und den demografischen Wandel. Bürgerinnen und Bürgern beurteilten den allgemeinen Zustand des Landes, so Prof. Vogel, anhand ihrer Erfahrungen in ihrem direkten Umfeld. Daher komme der Kommunalpolitik und öffentlichen Verwaltung eine Schlüsselrolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu.
Zusammenhalt, so Vogel, wachse dort, wo Vertrauen durch persönliche Begegnungen entsteht, wo Menschen vor Ort mitgestalten können und Entwicklungschancen gesehen werden. Fehlen diese, gehe auch Hoffnung verloren. Zudem bestehe die Wahrnehmung, dass die Themen der ländlichen Räume wenig Beachtung finden. Das fördere ein Gefühl des „Abgehängt-Seins“. Daraus ergibt sich der Gestaltungsauftrag für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.
Vogel stellte das in seiner Forschungsarbeit entwickelte Konzept der „Sozialen Orte” vor: Orte, an denen Zusammenarbeit gelingt, Konflikte verhandelt werden und neue Formen des Miteinanders entstehen. Beispiele sind: Bibliotheken und Mehrgenerationenhäuser, aber auch innovative Formate wie Dorfmoderationen und neue Formen kommunaler Zusammenarbeit.
Soziale Orte gelingen laut Vogel, wenn Verwaltungen risikofreudig agieren, engagierte Akteure als „Virtuosinnen und Virtuosen des Wandels“ wirken und diese Orte als dauerhafte Prozesse gedacht werden.
Erfolgsfaktoren für Begegnungsorte im ländlichen Raum
„Wie gelingen Begegnungsorte in ländlichen Räumen?“ – so lautete der Impulsvortrag von Dr. Ina Rateniek von pro loco, einem Büro für Kultur- und Stadtberatung im nordrheinwestfälischen Schwerte. Sie konnte aus vielen konkreten Projekten berichten.
Ihre Erkenntnis: Es gibt sieben Erfolgsfaktoren, die Begegnungsorte entstehen und gelingen lassen. Es braucht, erstens, einen gesicherten Zugriff auf ein Gebäude, durch Kauf, Miete oder in Absprache mit der Kommune. Zweitens ist die Umnutzung bestehender Gebäude, etwa einer früheren Kneipe oder einem leerstehenden Ladenlokal, möglich. Drittens ist der Nutzungsmix entscheidend. Ein neues Angebot sollte bestehende Angebote ergänzen, aber nicht in Konkurrenz dazu treten. Viertens: Es braucht Menschen, die motiviert und engagiert sind und andere begeistern. Eine frühe Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner, nach dem Motto „Ein Ort für Eure Ideen“ ist der fünfte Erfolgsfaktor. Ein Netzwerk auf Grundlage öffentlicher Strukturen ist, sechstens, ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei kommt der lokalen Wirtschaft eine wichtige Rolle als Förderer und Sponsor zu. Siebtens sind es Wirkung und Mehrwert, die einen Begegnungsort gelingen lassen: Ein solcher Ort erzeugt Aufbruchsstimmung und neues Engagement, ermöglicht mehr soziale und kulturelle Teilhabe und stärkt damit die Demokratie.
Praxisbeispiel: Ein Dorfladen und Dorfcafé
Ein Beispiel aus der Praxis gaben Dorfladenmitgründer Axel Unger und Bernd Caspar aus den Orten Hevensen und Wolbrechtshausen. Die Einführung dazu gab Sebastian Tränker von der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH (NLG), die den Dorfentwicklungsprozess begleitet und unterstützt hatte.
Die beiden bestätigten, was Vogel und Rateniek zuvor als Erfolgsfaktoren benannt hatten, etwa die Möglichkeit der Umnutzung einer alten Schule, das gute Zusammenspiel von Bürgerinnen und mit Verwaltung und Lokalpolitik, sowie das bürgerschaftliche Engagement, das Vertrauen und Zuversicht verbreitet. Die große Begeisterung war den Mitgründen des Dorfladens „LadenTreff“ deutlich anzumerken.
Foto: © BIZ/Johannes Giering