Wolfenbüttel, 12.12.2025
Gemeinwohlökonomie – DER Schlüssel für die Zukunft?
Ausgebuchte Veranstaltung der „Wolfenbütteler Begegnungen“ liefert viele Denkanstöße
Ist es der goldene Weg zu einem sinnstiftenden und wirtschaftlich erfolgreichen Miteinander mit einem florierenden Neukundengeschäft, zufriedenen Mitarbeitenden und glücklichen Menschen? Oder doch nur eine ungewohnte und kostenproduzierende mehr oder weniger utopische Vision?
Die 140 Gäste in der wieder einmal völlig ausgebuchten Veranstaltungsreihe „Wolfenbütteler Begegnungen“ gingen nach zwei Stunden mit jeder Menge Denkanstöße aus dem Zeughaus der Herzog August Bibliothek nach Hause. Unter der Überschrift „Niemand darf so reich werden wie Elon Musk“ hatte der österreichische Erfolgsautor und „Erfinder“ der Gemeinwohl-Ökonomie Christian Felber sein Konzept einer anderen Wirtschaftsphilosophie vorgestellt, in der eben nicht Gewinnmaximierung, sondern eine komplette Orientierung am Nutzen für die Gemeinschaft im Mittelpunkt steht.
Eingeladen hatten den streitbaren Wiener die Träger der Wolfenbütteler Begegnungen, die Bundesakademie für Kulturelle Bildung, die Herzog August Bibliothek, die Friedrich-Ebert-Stiftung, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Wilhelm Schmidt sowie die SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser. Diese warf gleich zur Eröffnung der Veranstaltung die Frage in den Raum, ob das extreme Vermögensungleichgewicht in der Gesellschaft dem Gemeinwohl entgegensteht? Und Prof. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss, Leiterin der Bundesakademie und die treibende Kraft hinter dieser Auflage der Veranstaltung, sprach einleitend von der Notwendigkeit, ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen – der „andere Weg“ der Gemeinwohlökonomie sei dabei eine großartige Vision für die Zukunft.
Christian Felber, nach eigenen Worten selbst gar kein studierter Ökonom, sondern Geisteswissenschaftler, holte in seinem Referat bis zur Zeit Aristoteles weit aus. In den konventionellen Wirtschaftsmodellen gehe es immer um Leistung und um mehr Leistung, um unseren Wohlstand zu sichern. Richtig sei aber vielmehr, dass unsere Grundbedürfnisse befriedigt werden sollten – und das sei weder durch Geld, durch Waffen, durch den Einsatz von Atomenergie oder den von künstlicher Intelligenz zu erreichen. „Misstrauen Sie jedem Ismus“, fordert Felber vom Publikum – weder Kapitalismus noch Sozialismus sei der richtige Weg, sondern die Orientierung am Gemeinwohl.
Dass es ein gesellschaftliches Umdenken gebe, sei an einem Beispiel erkennbar, so Felber – hätte man bislang in der Medizin das Alter der maximalen Lebenserwartung zum Maßstab genommen, setze sich nun die Erkenntnis durch, dass es viel mehr darum ginge, wie viele „gute und gesunde Jahre“ der Mensch vor sich habe.
Maximal 1.000 Punkte können Unternehmen und Einrichtungen erreichen, wenn Sie sich nach den Kriterien der Gemeinwohlökonomie bewerten und bilanzieren lassen, also Menschenwürde, Demokratie, Gerechtigkeit und Mitbestimmung in den Mittelpunkt stellen. Erreicht habe diesen Wert noch keiner der inzwischen rund 1.400 Organisationen, davon etwa 950 aus Deutschland. Seit Begründung der Bewegung im Jahr 2010 sei man weltweit aktiv, von Argentinien bis nach Japan, so Felber.
Zu dem Firmen, die den Zertifizierungsprozess durchlaufen haben, zählt die Marken- und Designagentur wirDesign aus Braunschweig und Berlin. Deren Vorstandmitglied Silke Parnack sprach davon, dass der Vorgang schon „einen Haufen Arbeit“ mit sich brachte, sich aber gewinnbringend für die Agentur ausgewirkt habe. Auch Professor Reinwand-Weiss sah für die inzwischen ebenfalls GWÖ-zertifizierte Bundesakademie nur Vorteile.
„Wie weit kann man dieses utopische und sympathische Spiel treiben“, lautete eine Frage bei der abschließenden Publikumsrunde, was machen Unternehmen, wenn es sozusagen wirtschaftlich hart auf hart kommt? Christian Felber gab sich kompromissbereit – natürlich dürfe seine Gemeinwohlökonomie nicht absolut gesetzt werden, natürlich müssten Kompromisse geschlossen werden, natürlich dürfe der Zertifizierungsprozess nicht zu kompliziert werden. Ein Tenor, der auch für Dunja Kreiser wichtig war, die auf die gerade aktuell herausfordernde Situation etwas von Konzernen wie Volkswagen hinwies. „Wir müssen bei allem, was wir tun, mit Augenmaß handeln“, so die SPD-Bundestagsabgeordnete.





