Kommentar von Holger Bormann, Landesvorsitzender der MIT in Niedersachsen
22.10.25 Bevor wir wieder in Empörungswellen versinken, sollten wir uns fragen: Worum geht es eigentlich? Der Bundeskanzler hat ein „Problem im Stadtbild“ angesprochen – und sofort war das große Schlagwort-Bingo eröffnet: Rassismus, Spaltung, Entgleisung.
Aber bringt uns das weiter? Ganz sicher nicht. Wer die Gesellschaft wirklich zusammenhalten will, sollte erst verstehen, was überhaupt gemeint war. Nur so kann man vernünftig diskutieren – statt reflexhaft zu urteilen.
Hört man genau hin, wird schnell klar: Der Kanzler sprach von verstärkten Abschiebungen als Teil der Lösung. Damit ist automatisch ausgeschlossen, dass er über in Deutschland geborene Menschen, Fachkräfte, Studierende oder Familien gesprochen hat. Auch niemand, der hier arbeitet, Steuern zahlt oder integriert lebt, ist gemeint.
Sein Hinweis „Fragen Sie mal Ihre Tochter“ deutet auf etwas anderes hin: auf Alltagssituationen, in denen sich Menschen – gerade Frauen – in bestimmten Bereichen unwohl fühlen. Gemeint sind offenbar Gruppen junger Männer ohne Aufenthaltsrecht, die sich in Parks oder an Bahnhöfen aggressiv oder dominant verhalten.
Das ist ein reales Problem, das viele Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen. Darüber zu reden, ist kein Tabu, sondern notwendig. Die entscheidende Frage lautet: Wie lösen wir das? Durch bessere Integration? Klare Grenzen? Schnellere Verfahren oder konsequentere Abschiebungen?
Doch statt diese Fragen zu stellen, wird wieder über Formulierungen gestritten. Die Diskussion dreht sich um Empörung, nicht um Lösungen. Genau das ist das Problem unserer politischen Kultur.
Denn so, wie die Debatte gerade läuft, profitieren nur die Falschen. Die AfD nutzt genau diese Stimmung – das Gefühl, dass man in Deutschland manche Themen gar nicht mehr offen ansprechen darf. Wer echte Probleme lieber leugnet oder überinterpretiert, stärkt damit nur die, die von Spaltung leben.
Wenn wir die Empörung endlich durch ehrliche, sachliche Diskussion ersetzen, gewinnen wir alle. Nur so schaffen wir Vertrauen – und zeigen, dass Politik, Medien und Gesellschaft Probleme benennen und lösen können.
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion in Niedersachsen (MIT) vertritt über 4.600 Mitglieder und ist in 47 Kreisverbänden vor Ort organisiert. Sie steht für die Soziale Marktwirtschaft ein und wirbt für die Interessen der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in der mittelständischen Wirtschaft.
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