Witzlicht: Der ganz alltägliche Größenwahn

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Eine Kolumne von Hans Witzkewitz

Hunderte Komparsen bereiten sich auf ihren Auftritt vor, die extra für sie angefertigten Kostüme waren sehr teuer, alles aber kein Vergleich zum Gesamtaufwand: Das alte Weddel ist auferstanden. Wenn auch nur als Kulisse, aber vieles bis ins Detail liebevoll gearbeitet, nicht zu vergessen die mobilen Zuschauertribünen, die allein schon ein Vermögen gekostet haben und die tausenden von Zuschauern aus aller Welt Platz bieten sollen.

Nein, hier ist nicht die Rede von den Störtebeker-Festspielen in Ralswiek auf Rügen oder von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg, sondern von einem Spektakel, das beides in den Schatten stellen soll: „Weddeler Bauern gegen Veltheimer Knechte“, ein Open-Air-Theaterstück, das anlässlich der 800-Jahrfeier von Weddel uraufgeführt werden soll.

Klar, die Kiesgrube zur Versammlungsstätte umzurüsten, erforderte schon einen gewissen Aufwand, da war das, was das Staatstheater Braunschweig alljährlich auf dem Burgplatz veranstaltete, ein Klacks dagegen. Aber hier in der Kiesgrube sollte nicht nur eine Theaterbühne, sondern ein echtes Begegnungszentrum entstehen!

Entspannt lehnte sich Harald der Große in seinem Sessel zurück und schaute verträumt zur Zimmerdecke. Wegen des großen Erfolges der Aufführung würde diese jedes Jahr wiederholt werden und im Laufe des nächsten Jahrhunderts nicht nur sämtliche Kosten wieder einspielen, sondern zum stets steigenden Wohlstand der Ortschaft beitragen.

Einen Haken allerdings hatte die Sache: Keiner wollte mit Harald spielen, momentan handelte es sich um ein Einpersonen-Stück und er müsste dann auch noch den ungeliebten Veltheimer Knecht geben, der von virtuell eingespielten Weddeler Bauern zurückgeschlagen wird.

Aber wenn man sich zu Höherem berufen fühlt, dann musste man schon in seinen Gedanken Größe zeigen und durfte sich auch nicht scheuen, um Hilfe von oben zu bitten.

In letzter Zeit ging doch dieser Jesus in Weddel um, die Pfarrerin hatte den neulich bei sich in der Küche sitzen. Der hatte ihr dann offensichtlich das Mineralwasser in Wein verwandelt und nach dem Genuss des dritten Glases hat sie dummes Zeug geschrieben. Nun wunderte sie sich gemeinsam mit dem Landesbischof, wieso die Leute reihenweise aus der Kirche austreten. Oh ihr Unwissenden!

Harald der Erstaunte nahm nochmals die neue Ortsteilzeitung zur Hand und las nach: „Küchengespräche mit Jesus: Vor Ort daheim“ Über die Jesus-Anlockspeise hatte er im Konfirmationsunterricht nichts gelernt, das musste in den Apokryphen stehen.

Naja, selber backen dauerte zu lange, der Ortsbürgermeister eilte zum Bäcker und kaum duftete es in seiner Küche nach Streuselkuchen, da saß auch schon Jesus auf dem freien Stuhl. Bevor Harald selber zugreifen konnte, war der Streuselkuchen aufgegessen. Da gab es also wieder jemanden, der überall dort auftauchte, wo es etwas umsonst gab. Harald der Schlaue fuhr sich durch sein schütteres Haar. Bevor dieser Jesus ihn mit Gleichnissen und anderen salbungsvollen Erzählungen verwirren konnte, musste er selbst die Initiative ergreifen. Aber er wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und um höhere Hilfe bei der Realisierung seiner Pläne bitten. Harald war ein guter Agitator, erzählte von den großartigen Leistungen und Erfolgen seiner Partei. Naja, einiges war schon arg übertrieben, aber das, was in der Bibel stand, musste man ja auch nicht wortwörtlich nehmen.

Der Plan ging auf, schon nach kurzer Zeit wollte Jesus auch mitmachen (ein wenig einfältig schien dieser zeitlose Jüngling schon zu sein). Harald überflog nochmals den Parteiaufnahmeantrag, fragte nach, ob die Berufsbezeichnung „Sohn“ treffend sei und zeigte dann auf die Stelle für die zu leistende Unterschrift.

Außerdem fand er es sehr praktisch, jemanden im Bekanntenkreis zu haben, der auf unkonventionelle Art und Weise Wein herstellen konnte. Also stellte Harald der Geizige ein Glas Leitungswasser auf den Tisch und bat seinen Gast um eine Probe dessen doch sehr außergewöhnlichen Fähigkeiten. Jesus nickte huldvoll, aber auch nach mehreren Versuchen wollte die Verwandlung nicht gelingen.

Mit seinem Parteieintritt hatte Genosse Jesus sämtliche göttlichen Fähigkeiten verloren, wortlos verschwand er aus der Küche. Hundebesitzer sollen auf ihren Runden angeblich beobachtet haben, wie ein langhaariger ca. 30Jähriger, der so aussah wie Phil Collins in jungen Jahren, beinahe in den Weddeler Teichen ertrunken sei bei dem Versuch, über das Wasser zu laufen. Allerdings sind diese Berichte sehr widersprüchlich und müssen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen.

Vom guten Geist verlassen hockte Harald der Nichterleuchtete in seiner Küche und starrte auf das vor ihm liegende Blatt Papier: „Weddel, Weddel über alles“. War auch nicht besser als „Auferstanden aus Cremlingen“. Er zerknüllte das Blatt und warf es in den Papierkorb. Mit der Weddel-Hymne kam er auch nicht weiter.

Blieb eigentlich nur noch die Idee mit den zur Jahrfeier zu pflanzenden 800 Bäumen. Aber wieso nannte ihn da jemand Harald Joseph? Es sollten doch gar keine deutschen Eichen sein und ein Stein sollte auch nicht neben jedem Baum stehen. Kopfschüttelnd nahm Harald der Missverstandene einen Schluck vom unverwandelten Wasser.

Bei mir in der Küche indes stapeln sich Platten von Streuselkuchen, aber der Besucherstuhl bleibt leer. Mensch Jesus, könntest doch wenigstens mal deinen besten Kumpel Luzifer bei mir vorbeischicken, vielleicht fallen mir dann bessere Kolumnen ein! Die Gegenleistung dafür muss ich allerdings nochmals überdenken.

In diesem Sinne,

Ihr Witz Witzkewitz.

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