WitzLicht: Aus den Wolf-Memoiren

377

Eine Kolumne von Hans Witzkewitz:

Lasst mich gänzlich ohne Vorrede direkt zur Sache kommen und mal so einige krumme Behauptungen begradigen. Zum Beispiel wird nach wie vor behauptet, ich hätte die Großmutter vernascht. Was´n Blödsinn, als ob ich auf zähe, alte Weiber stehen würde! Die grimmigen Brüder haben keine schlüssigen Beweise vorgelegt und deshalb ist es auch nie zu einer Gerichtsverhandlung gekommen und wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Wenn ich allerdings an Rotkäppchen zurückdenke, dann läuft mir das Wasser im Maule zusammen: Einfach lecker, gern wieder!

Hartnäckig hält sich auch die Mär von den sieben Geißlein, alles erlogen und erstunken. Natürlich habe ich bemerkt, dass das jüngste und kleinste in den Uhrenkasten gesprungen ist, bin ja schließlich nicht blöd. Aber an dem Vieh war so wenig dran, da habe ich mir einfach nicht die Mühe gemacht, es da wieder rauszuholen. Außerdem wollte ich den Ausgang der Geschichte nicht beeinflussen.

Aber lassen wir die uralten Zeiten ruhen, ihr hattet mich erfolgreich aus Mitteleuropa vertrieben, keiner brauchte mich mehr, höchstens zum Erschrecken von kleinen Kindern und alten Leuten, das war es dann aber auch.

Irgendwie scheint euch aber euer Gewissen nicht in Ruhe gelassen zu haben, ihr habt mich zurückgeholt. Warum habt ihr Schafsköpfe das getan, obwohl ihr mich nun doch nicht haben wollt? Dass ihr mich nicht leiden könnt, daran habe ich mich ja seit Jahrhunderten gewöhnt, aber warum diskriminiert ihr mich ständig aufs neu?

Angeblich sei ich ein Biermann, dabei ist mir ein selbstgezapftes Blutbad viel lieber! Klar, ich steigere mich dann in einen regelrechten Blutrausch, von irgendetwas muss man sich ja berauschen, so beschissen wie die Zeiten nun mal sind! Und weil ihr in eurer Gegend so ein grottenschlechtes Bier braut, müsst ihr gar nicht erst versuchen, es mir eimerweise in den Wald zu stellen. Überhaupt diese raubtierverachtenden Umerziehungsversuche! Die Grünen ohne Flinte (das sind die, die mich zurückgeholt haben), wollen plötzlich aus mir einen Vegetarier machen. Verdammt nochmal, ich bin Rohköstler, aber die Kost muss zappeln, sobald ich sie ins Maul nehme!

Wenn wir nun schon einmal dabei sind: Diese unverschämte Lüge, ich würde mit dem Vornamen Markus heißen und sei in führender Position im Rudel der Staatssicherheit gewesen, ist unhaltbar, Wladimir P. Ist mein Zeuge. Nie und nimmer habe ich in meinem Leben gelogen (wie alle Geheimdienstler) und keiner Seele etwas zuleide getan, es sei denn, sie hat mich darum gebeten, auch wenn sich diese arme Seele im Nachhinein nicht mehr daran erinnern konnte.

Am liebsten sind mir ja noch die Psychologen, die behaupten, ich sei gar kein Raubtier, sondern stehe symbolisch für den wilden, fremden Mann aus dem Nachbardorf, vor dem alle Jungfrauen zittern. Ob sie dies nun aus Angst oder vor Verlangen tun, sei dahingestellt, Hauptsache sie zittern. Sobald ich sie entjungfert habe, tun sie es nicht mehr.

Lasst mich abschließend (ich bleibe jetzt beim du, auch wenn ich den wenigsten tief in die Augen geblickt habe und bisher auch keine Blutsbrüderschaften eingegangen bin) noch die Grünen mit Flinte erwähnen. Die haben mir nicht nur meinen Job weggenommen, die haben auch einen heimlichen Ehrenkodex, sobald sie mir begegnen. Dann gelten für sie „die drei S des Jägers“: Schießen, Spaten, Schweigen.

Ich habe meine Memoiren nicht selbst geschrieben, sondern mich eines Ghostwriters bedient und diesen

Witz Witzkewitz

engagiert, den ich zum Fressen gern habe, denn er hat mir versprochen, dass etliche aufheulen werden, sobald sie dieses Machwerk gelesen haben.  Titelzeichnung: Otto Ubbelohde