Von Dr. Diethelm Krause-Hotopp
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Für viele Menschen bedeutete der Frieden ein Aufatmen und neue Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Freiheit.
Im April 1945, noch kurz vor Ende des Krieges, gab es drei Ereignisse in der nördlichen Elm-Region, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Am 10. April verließ die SS mit ca. 1.300 Gefangenen fluchtartig das Konzentrationslager Schandelah. Am 11. April ermordeten fanatische Nazis am Rand von Schandelah den Bürgermeister, Heinrich Jürgens, und den Hausarzt, Dr. Fritz Zschirpe. Am 21. April wurde die Region durch Gefechte zwischen Amerikanern und Resten der Deutschen Wehrmacht erschüttert. Dabei starben noch Menschen.
- April 1945: Gefechte am nördlichen Elmrand
Auf dem Destedter Friedhof befindet sich das Grab von Rudolf Schimmelpfennig (21.07.1921 bis 21.04.1945). Jedes Jahr zum Volkstrauertag legt die Gemeinde Cremlingen ein Gesteck auf sein Grab. Wer war Rudolf Schimmelpfennig? Wo kam er her? Warum starb er am 21. April 1945 in Destedt, obwohl der Krieg am nördlichen Elmrand am 12. April bereits beendet war?
Familie Schimmelpfennig
Rudolf Schimmelpfennig verbrachte seine Kindheit und Jugendzeit in Berlin (geboren in Charlottenburg und ab 1922 wohnte die Familie in Lübars). In dieser dörflichen Umgebung wuchs Rudolf Schimmelpfennig auf. Wahrscheinlich unter dem Einfluss des Großvaters und des Vaters ging er zur Justiz und wurde Justiz-Inspektor. Am 01. April 1940 trat er in die NSDAP ein.
Kriegsjahre
Wann Rudolf Schimmelpfennig zur Wehrmacht ging, konnte nicht ermittelt werden. Am 01.12.1943 wurde er als Leutnant in das Offiziers-Korps aufgenommen und als Leutnant bei der Nachrichten-Abteilung 23, in der 23. Infanterie-Division, einsetzt. Im August 1944 war sein Einsatzraum das Baltikum. Zum Ende des Krieges gehörte er der 45. Panzer-Division an, die den Namen „Panzer-Division Clausewitz“ trug. Ab Mitte März 1945 war sie Teil der neu formierten 12. Armee unter General Walther Wenck.
Die Division Clausewitz war im April 1945 bei Lauenburg an der Elbe aus verschiedenen Truppenteilen zusammengesetzt worden (Panzer-Division Großdeutschland, Panzerübungsschule Putlos und aus Resten der Panzerbrigade 106 Feldherrnhalle). Ihr Ziel war, die sogenannte „Festung Harz“ zu erreichen, um die dortigen Truppen zu verstärken. Braunschweig war am 11. April von amerikanischen Truppen besetzt worden.
Was aber führte am 21. April 1945 nun zu weiteren Kämpfen am nördlichen Elmrand bei Destedt, in deren Verlauf u.a. Rudolf Schimmelpfennig zu Tode kam? Die Division Clausewitz operierte zunächst im Rücken der amerikanischen Truppen. Nach Kämpfen bei Uelzen führte ihr Weg über Wittingen in Richtung Fallersleben. Nach zahlreichen Gefechten, so schreibt es Ulrich Saft, war „von der Division ‚Clausewitz‘ nicht mehr viel übrig“. Bei Fallersleben gab es über den Weser-Elbe-Kanal nur noch eine unzerstörte Brücke, über die gefahren werden musste.
Rudolf Schimmelpfennig saß in einem der Fahrzeuge (u.a. zehn Panzer), die „am 21. April, kurz vor 02.00 Uhr“ auf die Brücke zurollten und unter schweren Verlusten die Überquerung schafften.
Aufgrund von Kämpfen in Fallersleben wurde die Gruppe getrennt. General Decker fuhr mit einer kleinen Gruppe Richtung Westen und dann nach Süden bis Essenrode. Angesichts der ausweglosen Lage setzte er im Buchenwald nördlich von Wendhausen seinem Leben ein Ende.
Noch Krieg am nördlichen Elmrand
Major von Bennigsen schaffte es mit sechs Panzern und drei Halbkettenfahrzeugen „noch vor Sonnenaufgang“ bis nach Destedt, „von wo aus er in den Elm fuhr“. Eine weitere Gruppe um „Divisionskommandeur, Generalleutnant Martin Unrein, hatte mit einigen VW-Kübeln und den Halbkettenfahrzeugen eines Pionier-Zuges den kürzesten Weg zum Elm gefunden“ und gegen 6.30 Uhr Abbenrode erreicht. Der Gruppe um Oberleutnant Hans Kempe war es gelungen, bis Königslutter zu kommen.
An die in den Elm fahrenden Panzer kann sich der Destedter Bernhard Brückner, er war damals 10 Jahre alt, noch gut erinnern. Er wohnte mit seiner Mutter und den Geschwistern im letzten Haus der Elmstraße und sah die vorbeifahrenden Fahrzeuge.
Inzwischen hatten die Amerikaner die Verfolgung aufgenommen und feuerten in den Elm. Vereinzelt schossen die deutschen Soldaten zurück, denen aber allmählich die Munition ausging. Über Lautsprecher wurden sie in deutscher Sprache von den Amerikanern zur Aufgabe aufgefordert. In Königslutter erteilte Oberleutnant Hans Kempe seinen etwa 70 Soldaten den Befehl, „sich bis zur Elbe durchzuschlagen und sich, falls möglich, bei Einheiten der Armee-Wenck zu melden“.
Auch der von Destedt in den Elm gefahrene Major Walther v. Bennigsen wird inzwischen die ausweglose Situation begriffen haben, denn die Gruppe traf hier nicht auf deutsche Soldaten, wie erhofft. „Auch waren wir aufgesplittert und die Tanks der Panzer fast leer“.
Dennoch zog sich die Auseinandersetzung hin. „Nach dem einstündigen Artilleriefeuer begann die amerikanische Infanterie den Wald systematisch zu durchkämmen“.
Auch Otto Lüer, Destedter Ortsheimatpfleger, berichtet: „Der Kampf zog sich bis zum Abend hin. Etwa 35 Mann haben sich ergeben“. Ein verwundeter deutscher Soldat wurde notdürftig im Haus Brückner versorgt, ehe er ins Krankenhaus gebracht wurde.
Bei diesen Kämpfen muss Rudolf Schimmelpfennig, ebenso wie der Gefreite Adolf Middelberg, der auf dem Abbenroder Friedhof ruht, wohl ums Leben gekommen sein. Bernhard Brückner sah Schimmelpfennig am Rand des Tals liegen, sein Stahlhelm wies ein Einschussloch vorn auf. Eindeutig kann nicht geklärt werden, wie Rudolf Schimmelpfennig ums Leben kam. Vieles spricht für den Tod im Kampf, weniger dafür, dass er „nach mündlicher Überlieferung … von Zwangsarbeitern erschossen worden sein“ soll, wie von Klaus Becker in der Ortschronik vermutet. Ein älterer Destedter berichtete auch von einem Selbstmord.
Am 27. April 1945 wurde Rudolf Schimmelpfennig „unter Mitwirkung des Geistlichen und Geläut“ (Kirchenbuch Destedt) auf dem Destedter Friedhof beigesetzt. Er war „ein Offizier der deutschen Wehrmacht, der am Fuße des Elms im Kampf gegen amerikanische Truppen gefallen ist“, heißt es weiter im Kirchenbuch.
Rudolf Schimmelpfennig erhielt auf dem Destedter Friedhof ein Grab mit Holzkreuz. 2003 wurde durch die Gemeinde Cremlingen eine Grabplatte eingesetzt.
Historische Tafel für Leutnant Rudolf Schimmelpfennig.
Am 21. April 2025, um 15 Uhr, wird am Grab von Rudolf Schimmelpfennig eine Informationstafel enthüllt. Sie gibt Auskunft über sein Leben. Die Mittel stellen die Braunschweiger Sparkassenstiftung und der Bürgerhaushalt der Ortschaft zur Verfügung.
Fazit
Auch 75 Jahre nach seinem Tod ließen sich immer noch Spuren des Zweiten Weltkrieges finden. Wie Rudolf Schimmelpfennig zum Nationalsozialismus stand, ob er sich im Krieg menschlich oder verbrecherisch verhalten hat, wissen wir nicht. In den neuen „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ von 2018 heißt es: „Die Wehrmacht diente dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und war in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt, die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken und im Grad ihrer staatlichen Organisation einzigartig in der Geschichte sind.“
An der Geschichte von Rudolf Schimmelpfennig wird aber auch deutlich, wie das verbrecherische Naziregime mit Menschen, auch den eigenen Soldaten, umgegangen ist. Ein Menschenleben zählte nichts in dieser Ideologie. Im März 1945 gab Hitler den Vernichtungsbefehl („Nerobefehl“) und soll dazu nach Angaben von Albert Speer gesagt haben: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das deutsche Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen“
Foto (Diethelm Krause-Hotopp)
Das Grab von Rudolf Schimmelpfennig auf dem Destedter Friedhof