Stefan Keck las im Café Cèst Lavie aus Werken bekannter Autoren.
Königslutter. Vorlesen macht Spaß. Zuhören auch. Es ist ein Erlebnis, hineingenommen zu werden in eine Geschichte. Kopfkino entsteht. Besonders, wenn der Vorlesende es versteht, seine ihm Zuhörenden an seinen Lippen hängen zu lassen. Stefan Keck versteht das. Aber er ist auch seit Jahren darin geübt. Laienspiel ist sein Hobby. Und eben Vorlesen. Schon als Schüler habe er sich darin geübt, erzählt er. Seit 25 Jahren gehört er einer Gruppe an, die Leseabende veranstaltet. Diesmal trägt er im Café Cest Lavie in Königslutter vor. Ein Heimspiel sozusagen, denn die Lavie Reha gGmbh ist auch seine Arbeitgeberin. Hier ist der 62-jährige als Leiter der Metallwerkstatt zuständig.
Das kleine Café an der Stadtmauer ist an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt. Dreißig Zuhörende sind gekommen, natürlich Mitarbeitende der Rehabilitationseinrichtung, aber auch viele Bewohner der Stadt des Kaiserdoms am Elm.
Bevor er vorliest, nimmt sich Stefan Keck noch Zeit für ein kurzes Gespräch. Satirisches habe er für diesen Abend ausgewählt, sagt er. Aber nichts Schrilles, Schenkelklopfendes, „sondern eher schwarze Satire. Eine Satire, wo einem schon mal das Lachen im Halse stecken bleiben kann. Manchmal lustig, oft nicht so lustig, oft bitterböse.“ Es sind Texte von Autoren aus der frühen Zeit der Bundesrepublik, der Siebziger Jahre. Texte und Autoren, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Er habe eine Vorliebe für bestimmte Autoren, so Stefan Keck, „ich habe durchaus Favoriten.“ Er will an diesem Abend Texte des Liedermachers Ulrich Roski vortragen, von Ephraim Kishon, Helmut Karasek oder Wolfgang Hildesheimer.
Dann wird es ruhig in diesem anheimelnden Café. Stefan Keck beginnt mit einer Geschichte von Heinrich Böll. „Unberechenbare Gäste“ heißt sie. Mit beißendem Humor nimmt der Kölner Böll in seiner Kurzgeschichte die Auswüchse des Wirtschaftswunders aufs Korn. Dann noch eine Geschichte von Böll: „Es wird etwas geschehen“. In dieser Geschichte karikiert der Sozialethiker Böll die Entmenschlichung der Arbeitswelt mit tiefschwarzen Humor. Eine der wenigen humorvollen Geschichten des jungverstorbenen Wolfgang Borchert trägt Keck auch vor: „Schischiphus“. Hier geht es hinter der Humoreske um Ausgrenzung, Behinderung. Voller bitteren Humors kommt ein Gedicht von Erich Kästner her, geschrieben, als sich das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg massiv wiederbewaffnete: „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?“
Viele Texte folgen an diesem zweistündigen Abend. Wenn nicht gelacht wird, dann wird geschmunzelt oder nachdenklich, versonnen geschaut.
Seit bald eineinhalb Jahren hat das Café Cèst Lavie, kurz Lavie, das Leben, nun schon seine Türen für Gäste geöffnet. Es ist nicht mehr wegzudenken aus dem gesellschaftlichen Leben in Königslutter. Da an der alten Stadtmauer in der Westernstraße.
Für die Geschäftsführerin der Lavie Reha gGmbh, Corinna Wollenhaupt, bedeuten solch öffentliche Veranstaltungen im Café C’est Lavie „für Menschen mit seelischen Vorerkrankungen, die hier ein Tätigkeitsfeld haben, eben eine interessante, weil publikumsnahe Tätigkeit.“
Die Lavie Reha gGmbh gründete sich vor 30 Jahren. Sie bedeutete damals die erste Rehabilitationseinrichtung für junge und erwachsene Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in der Region Braunschweig. Einige von ihnen haben auch ihren Arbeitsplatz im Café.
Titelfoto: Vor der Lesung im C`est Lavie (von links): Lavie-Geschäftsführerin Corinna Wollenhaupt, Vorleser Stefan Keck und vom Gastro-Team Lucia Bischof, Fabian Schauzu und Maximilian Helmke.
Stefan Keck liest Satire im Café C’est Lavie. Alle Fotos: Regio-Press
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