Hospizverein: Niemand soll unbeachtet „unter die Erde kommen“ und vergessen sein
Ehrendes Gedenken für alle, die ohne Nahestehende bestattet worden sind
Die Martinskapelle auf dem Hauptfriedhof Wolfenbüttel ist am 22. November bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Menschen sind gekommen, um der Verstorbenen der letzten 12 Monate zu gedenken, für die bei der Beisetzung keine Nahestehenden zugegen waren. Mit der Anwesenheit der stellvertretenden Bürgermeisterin, Elke Wesche-Möller, unterstreicht die Stadt Wolfenbüttel, wie sehr ihr daran liegt, diesen Menschen, die in unserer Stadt gelebt haben, eine „letzte Ehre“ zu erweisen.
Es gibt vielfältige Gründe, warum kein einziger Mensch einem Begräbnis beiwohnt – kein Verwandter, kein Freund, kein Kollege da ist – nicht einmal ein Mensch aus der Nachbarschaft. Heidemarie Wypich vom Hospizverein berichtet in der Begrüßung: „Damit diese Verstorbenen nicht vollständig ohne jegliche menschliche Anteilnahme ‚unter die Erde kommen‘, begleiten Ehrenamtliche des Hospizvereins seit 2017 ihren letzten Weg. Sie geben diesen Abschieden einen bescheidenen, dennoch würdigen Rahmen – mit einem Wort des Geleites, einem kleinen Blumengruß, einem stillen Innehalten, einer ehrenden Verneigung.“ In den letzten zwölf Monaten hat es 28 Beisetzungen dieser Art gegeben. Insgesamt sind es 122 Menschen bis zum heutigen Tag, die so auf ihrer letzten Etappe doch noch in ehrender Begleitung verabschiedet wurden.
In einer öffentlichen Gedenkfeier wird an diesem Tag an all diese „Unbedachten“ der letzten zwölf Monate gedacht. „Jeder von ihnen war ein einzigartiger Mensch mit einer einzigartigen Geschichte“, erinnert Ulrike Jürgens vom Vereinsvorstand in ihrer Ansprache. „Gleich ob wir uns auf das christliche Menschenbild beziehen oder auf unser Grundgesetz: Zum Menschsein gehört eine unverlierbare Würde. Und diese endet nicht mit dem Tod.“ Die Achtung vor den Toten, vor ihrem Leben versteht der Hospizverein als Auftrag für die Lebenden. „Ich freue mich, dass so viele hier und heute mit diesem Gedenken ein Zeichen setzen: Es ist uns nicht gleichgültig, dass der Tod dieser Menschen unbeachtet geblieben ist – sie beinahe vollständig unbedacht bestattet wurden.“
Andächtige Stille ist im Raum, als für jeden der Verstorbenen „ein Licht des Lebens“ entzündet wird, gefolgt von einem Moment des Innehaltens. Jeder einzelne Verstorbene wird mit seinem Namen genannt – 28 Momente eines ehrenden stillen Gedenkens. Die Blockflöten-Gruppe der Kulturschmiede Denkte gibt dieser Gedenkstunde mit fünf anspruchsvollen Stücken einen würdevollen und feierlichen Rahmen.
Viele Besucher sind berührt von diesem ehrenden Gedenken. Und das nicht allein der würdevollen Gestaltung wegen. „Ich finde diese Idee und die Umsetzung sehr beeindruckend“, sagt eine Frau. „Ich habe in der Anzeige den Namen einer ehemaligen Nachbarin erkannt. Leider ist der Kontakt abgerissen. Es war mir ein großes Bedürfnis, mich heute bei der Gedenkfeier noch nachträglich von ihr verabschieden zu können. Herzlichen Dank dafür!“ Das ist nicht die einzige Rückmeldung dieser Art. Der Hospizverein wird auch in Zukunft jährlich zu einer Gedenkfeier für die unbedacht gebliebenen Menschen einladen.
Foto: Bei der jährlichen Gedenkfeier erinnert der Hospizverein Wolfenbüttel an die Menschen, die in den vergangenen 12 Monaten „unbedacht“, also ohne Begleitung von Angehörigen und Freunden, bestattet wurden. Margit Trost (links) und Gundula Coenders gehören zu dem Ehrenamtlichen-Team des Hospizvereins, das „Unbedachte“ auf ihrem letzten Weg begleitet. Foto: Hospizverein